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Tesla-Proteste - Vereint im Hass aufs E-Auto

Bei den Protesten gegen Teslas Gigafactory geht es längst nicht mehr nur um Wasser und Wald. E-Autos werden nun auch von links verteufelt. Ein Akt der Selbstsabotage.

Ein Kommentar von Ruth Fend 10. Mai 2024, 11:11 Uhr

Einst zielten die Aktionen der Klimabewegung gegen die Fossilindustrie, jetzt heißt es: Tesla zerstören. Damit richtet sie sich mehr gegen die Lösung statt gegen das Problem.

Die Klimabewegung, oder zumindest ein Teil von ihr, hat einen neuen Slogan. Er macht auch wieder die Runde, wenn bei den Aktionstagen Ende dieser Woche etliche Umweltorganisationen und Bürgerinitiativen in Grünheide protestieren: “E-Autos retten nur die Autoindustrie [ https://www.zeit.de/2024/12/tesla-werk-brandenburg-proteste-elon-musk ], nicht das Klima!” Ein weiterer der Initiative Tesla stoppen [ https://teslastoppen.noblogs.org/machmit/warum/ ] lautet: “Saubere Elektroautos sind eine dreckige Lüge!” Was einst als Protest gegen den Bau einer riesigen Fabrik im Wasserschutzgebiet begann, ist mittlerweile auf dem Niveau von Fake-News angekommen. Herzlichen Glückwunsch. Natürlich ist Elon Musk [ https://www.zeit.de/thema/elon-musk ] ein geradezu unwiderstehliches Feindbild für Kapitalismuskritiker: ein libertärer und zunehmend abgedrehter US-amerikanischer Milliardär, der nicht eben für seine Arbeitnehmerfreundlichkeit bekannt ist und auf X die Agenda der AfD pusht. Und dann baut er seine E-Autos auch noch so schwer und PS-stark, dass sie unnötig viel Strom verbrauchen [ https://www.zeit.de/mobilitaet/2024-04/ elektroautos-reichweite-batterie-studie ], pfui! Ressentiments gegenüber dem Konzernchef, mögen viele auch berechtigt sein, sind aber noch kein guter Grund, gleich die gesamte E-Technologie zu verteufeln. Die Branche besteht ja nicht nur aus martialischen Cybertrucks [ https://www.zeit.de/mobilitaet/2023-11/tesla-cybertruck-elon-muskrepublikaner-usa ]. Im Übrigen reicht auch die Wasserproblematik dafür nicht aus, aber dazu später. Bei der Klimabilanz gibt es keine Fragezeichen Erst mal zu den Fakten: E-Autos sind deutlich besser für das Klima als Verbrenner [ https://www.zeit.de/mobilitaet/2023-09/elektroautoselektromobilitaet-kaufpreis-strompreis-umweltfreundlichkeit ], auch wenn man das oft herangeführte Argument der umweltbelastenden Batterieproduktion berücksichtigt. Über den gesamten Lebenszyklus stößt das E-Auto [ https://www.zeit.de/thema/elektroauto ] fast 50 Prozent weniger CO₂ [ https://www.ifeu.de/publikation/neukauf-eines-elektro-pkw-oder-weiternutzung-desalten-verbrenners/ ] aus als ein Verbrenner. Auch im Vergleich zu Gebrauchtwagen [ https://www.zeit.de/mobilitaet/2023-12/gebrauchtwagenklimaschutz-elektroauto-umstieg-studie ] steht es besser da. Deshalb ist es ein wichtiger Baustein für den Klimaschutz, auch wenn es das Klima natürlich nicht im Alleingang retten kann. Eine dreckige Lüge sind E-Autos nur, wenn man von Autos das Unmögliche erwartet: dass sie keinerlei ökologischen Reifenabdruck hinterlassen. Und wenn man, wie die linken Fundamentalkritiker, glaubt, dass sich das Auto abschaffen lässt, wenn man das nur laut genug fordert. Wenn man nur ausreichend Geld für Schiene, Radwege und ÖPNV ausgibt, schwört ganz Deutschland dem Individualverkehr schon ab – klar. Hackfleisch in der Ladesäule Eine solche Realitätsverweigerung verträgt sich schlecht damit, dass die Klimakrise so schnell wie möglich bekämpft werden muss. Zur Verkehrswende gehört beides: ein besserer öffentlicher Nahverkehr und Fahrradfreundlichkeit, aber auch sauberere Autos. Die linken Aktivistinnen verbünden sich mit ihrem unterkomplexen Antikapitalismus unfreiwillig mit all jenen, die mit dem EAuto Kulturkampf aus der entgegengesetzten Richtung betreiben: veränderungsfeindlichen Verbrennerfans und rechten Opportunisten.

Der Spiegel berichtete [ https://www.spiegel.de/auto/elektroauto-fahrer-werdenoft-gemobbt-was-steckt-hinter-der-wut-a-22efc214-9102-4426-a506b130fbb70396 ] vor einigen Monaten, wie E-Autofahrer inzwischen gemobbt werden, oft kommen die Angriffe von rechts außen. Der Präsident des Bundesverbands EMobilität, Kurt Sigl, sagte, dass sein Tesla von Hassern angepinkelt und angespuckt, mit Lippenstift mit “E-Arschloch” bekritzelt wurde. In München gehen den Stadtwerken zufolge 15 Prozent der Ladesäulenstörungen auf Vandalismus zurück, eine wurde mit Hackfleisch verstopft. Die Geschäftsführerin der Opferschutzorganisation HateAid nennt im Spiegel Angriffe gegen Elektroautobesitzer in sozialen Netzwerken einen bundesweiten Trend. Hätten lange Zeit besonders Windräder Anfeindungen ausgelöst, so richte der Zorn sich nun auffällig oft gegen batteriebetriebene Fahrzeuge. Die AfD schürt diesen Zorn. Sie will nicht nur sämtliche Klimaschutzgesetze in Deutschland und Europa abschaffen, sie wetterte auch gegen Teslas Gigafactory und machte sie für Wassermangel und Dürre in der Region verantwortlich – natürlich nicht den Klimawandel. Der wahre Wasserverschwender ist der Bergbau Wenn eine Region bereits unter Wassermangel leidet, muss jede wasserintensive Industrieproduktion dort hinterfragt werden. Aber vergleicht man einige Zahlen, erscheint auch in Bezug auf den Wasserverbrauch [ https://www.zeit.de/wirtschaft/2024-03/tesla-wasserverband-strausberg-erknerschulen-abwasser/komplettansicht ] die Kritik an Tesla zumindest überzogen. Im Jahr 2023 hat das Tesla-Werk knapp 500.000 Kubikmeter Frischwasser verbraucht, weniger als die Hälfte des Spargelhofs Klaistow in der Region. Und ein Bruchteil dessen, was der Braunkohlekonzern LEAG für sich beansprucht: 44 Millionen Kubikmeter. Dass die AfD sich für solche Realitäten nicht sonderlich interessiert, verwundert nicht. Schließlich behauptet sie auch, E-Autos zerstörten die deutsche Autoindustrie, besonders Ostdeutschland hänge am Verbrenner – und verschweigt, dass insbesondere der Osten von der E-Mobilität profitiert. Jedes zweite hierzulande hergestellte E-Auto wurde 2022 in Ostdeutschland produziert [ https://www.zeit.de/2024/21/elektromobilitaet-volkswagenwerkzwickau-sachsen ]. Die deutsche Autoindustrie gerät eher dadurch ins Hintertreffen, dass sie die Elektrifizierung verschlafen hat. Von Umweltschützern würde man sich mehr Differenzierungsvermögen erwarten. Und mehr Konzentration aufs Wesentliche, die Bekämpfung der Dürreursachen etwa. Die Elektrifizierung des Verkehrs geht nicht nur deshalb so schleppend voran, weil E-Autos für viele Menschen noch zu teuer sind oder sie sich von Reichweiteängsten abschrecken lassen. Es liegt auch am Image, an den Zweifeln, die von allen Seiten gestreut werden. Im aktuellen Monitoringbericht der Deutschen Energie-Agentur stellen 60 Prozent infrage [ https://www.bayerninnovativ.de/de/ehubs/seite/e-mobilitaet-mit-imageproblem ], ob Elektroautos tatsächlich umweltfreundlicher als Pkw mit anderen Antriebsarten sind. Die Elektromobilität hätte das Potenzial, Klimaschutz und Wohlstandssicherung zu vereinbaren. Sie verringert CO₂ im Individualverkehr, hier finden Innovationen statt und es entstehen qualifizierte Arbeitsplätze. Es ist schon erstaunlich, wie es so weit kommen konnte, dass ein Teil der Lösung dermaßen polarisiert: rechts und links, geeint im Kampf gegen das E-Auto. Deutschland zeigt sich gerade meisterhaft darin, sich selbst zu sabotieren.

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    2 months ago

    Sehr gutes, sehr passendes Interview dazu:
    2045 by Design or Disaster:
    Männer, die die Welt verbrennen mit Christian Stoecker

    Ich will auch eine Verkehrswende, aber die dauert noch. E-Autos sind keine Lösung aber ein wichtiger Schritt. Sich jetzt vor der Tesla-Fabrik zu kloppen ist irgendwie skurril.
    In dem Interview habe ich zum ersten Mal von Petromaskulinität gehört und bin sehr dankbar um den neuen Begriff in meinem Wortschatz.

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      2 months ago

      Ich finde es eine Nebelbombe zu behaupten, dass es ein „männliches Problem“ ist. Frauen sind nicht per se gut. Das lenkt vom problematischen Verhalten ab und versucht über Sexismus andere reinzuwaschen.

      Nazis hatten Frauen, Kinderschänder hatten Frauen, Autofahrer haben Frauen, Jungen werden von Mütter erzogen und so weiter. Ist Wegschauen/ Passiv oder indirekt agieren besser als aktiv sein?

      (Das Nazi und Kinderschänderbeispiel habe ich nur gebracht, um es Augenscheinlich zu machen)

      • Nakedmole@lemmy.world
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        2 months ago

        Ich bin sonst auch gegen sexistische Verallgemeinerungen aber Verbrenner-Fetischismus ist nun mal wirklich ein fast exklusiv bei Männern vorkommendes Phänomen.

      • Teppichbrand@feddit.de
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        2 months ago

        Ich glaube du hast meine Aussage falsch verstanden.
        Es gibt Männer (nicht alle), die ihre Kraft, Macht, Status und teilweise auch ihr Geld aus dem Verbrennen von fossilen Energien schöpfen. Diese oft autoritären Männer fühlen sich in ihrer Männlichkeit und ihrem Lebensstil bedroht und bekämpfen deshalb vehement die dringend nötigen Veränderungen in Energie, Verkehr und Ernährung. Ich verallgemeinerte mal stark: Autoraser, Motorradfahrer, Rasenmäher, Fleischgriller und Aufsichtsräte von fossilen Konzernen sind fast immer: Männer.
        Höre dir mal den Podcast an, der nimmt sich mehr Zeit als ich es hier kann.

        • DrunkenPirate@feddit.de
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          2 months ago

          Das will ich auch gar nicht bestreiten. Ich wollte nur darauf aufmerksam machen, dass dieses männliche Rollenbild „petromaskulinität“ ja eben größtenteils anerzogen ist. D.h. da haben auch Frauen ihren Anteil dran. Mindestens als Mutter durch die Kindeserziehung, als auch als Partnerin durch Akzeptanz oder Bestärkung. Die weibliche Variante wäre dann „petroweiblichkeit“ oder so.

          Von deinen Beispielen kenne ich ebenso viele weibliche Petromenschen. Nur Aufsichtsrätinnen nicht. Da gibt es noch nicht so viele. Aber wie die RBB Intendantin Schlesinger gezeigt hat, sind mächtige Frauen genauso korrupt und machtkrank wie Männer.

          Kurz: Ich halte es für eine Nebelbombe solch ein „Petroverhalten“ als ein rein männliches Problem darzustellen. Es ist ein gesellschaftliches Problem. Auch Frauen sind davon befallen.