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    3 days ago

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    Smollich: Beim Gehalt von Salz und Zucker kommt wieder der Vergleich zum »Originalprodukt« zum Tragen. Verarbeitete Fleischprodukte enthalten ebenfalls häufig große Mengen davon, hinzu kommt hier der oft hohe Gehalt an gesättigten Fettsäuren. Deshalb wird ja auch empfohlen, solche Produkte nur selten zu verspeisen. Vegane Alternativen enthalten nicht grundsätzlich mehr Salz oder Zucker. Wie immer gilt auch hier: Man kann da kein pauschales Urteil fällen, sondern muss sich jedes Produkt einzeln anschauen.

    Wefers: Bei den echten Fleischprodukten benötigt man das Salz häufig schon aus technologischen Gründen – eine Salami könnte man nicht ohne Salz herstellen. Fleischersatzprodukte haben hier den Vorteil, dass man bei der Rezeptur flexibler ist und auch Produkte entwerfen kann, die dann nicht 3,5 Prozent Salz enthalten, sondern nur zwei oder drei Prozent. Ebenso kann man auf Stoffe wie Phosphate, die etwa bei der Herstellung von Wurst notwendig, aber für vorerkrankte Menschen gesundheitlich problematisch sind, verzichten. Zusätzlich lassen sich sogar Dinge wie Pflanzenfasern oder ungesättigte Fette hinzufügen, die wünschenswerte gesundheitliche Effekte haben. Eigentlich eine tolle Entwicklung: Man kann Produkte entwerfen, die wie Schnitzel oder Wurst schmecken und obendrein gesünder sind.

    SPIEGEL: Dann ist es aber chemisch und nicht mehr natürlich.

    Wefers: Wir können ja gern darüber diskutieren, wie natürlich es ist, ein Tier zu schlachten, das Fleisch auf unter einen Millimeter Partikelgröße zu zermahlen, es dann in einen Darm zu stecken und mit verschiedenen Hilfsstoffen und Gewürzen schmackhaft zu machen.

    Smollich: Oder wie natürlich es ist, wenn ich den ganzen Tag im Büro sitze und mir dann abends im Supermarkt ein Steak kaufe. Alles, was wir essen, enthält »Chemie« oder hat irgendwann mal eine Maschine gesehen. Diese Unterscheidung in chemisch und natürlich ist völlig irrational und nicht zielführend. Wer es ganz natürlich haben will, müsste mit einem Speer in den Wald gehen und eine Wildsau jagen.

    SPIEGEL: Das würde auch dem Kalorienüberschuss entgegenwirken. Aber noch mal ganz konkret: Was ist aus ernährungsmedizinischer Sicht eher zu empfehlen, das Schweineschnitzel oder das Veggie-Schnitzel?

    Smollich: Ich formuliere es mal so: Eins von beiden ist von der WHO als »wahrscheinlich krebserregend« eingestuft . Und das ist nicht das Veggie-Schnitzel.

    SPIEGEL: In rotem Fleisch ist reichlich Eisen enthalten, außerdem tragen tierische Produkte maßgeblich zur Versorgung mit Vitamin B12 bei. Könnte man bei rein veganer Ernährung trotz Ersatzprodukten in eine Unterversorgung mit diesen Stoffen rutschen?

    Smollich: Ja, das passiert beim Vitamin B12 sogar ganz sicher, das muss man dann supplementieren. Bei Stoffen wie Eisen oder Zink wissen wir auch aus Untersuchungen, dass Veganerinnen und Veganer häufiger unterversorgt sind. Es ist natürlich auch eine Frage der Ernährungskompetenz, darauf zu achten, dass man bei diesen Mikronährstoffen nicht in einen Mangel rutscht. Aus meiner Sicht und vor allem aus ökologischen Gesichtspunkten kann es aber nicht die Lösung sein, deshalb Fleischkonsum zu propagieren. Viel nachhaltiger wäre es, pflanzenbasierte Alternativen gezielt mit Mikronährstoffen wie Vitamin B12, Zink oder Eisen anzureichern. Wir haben auch schon mit dem Bundesinstitut für Risikobewertung und der Deutschen Gesellschaft für Ernährung diskutiert, ob man dafür nicht eine generelle Empfehlung aussprechen soll.

    SPIEGEL: Die fehlenden Stoffe einfach in das Veggie-Schnitzel oder die vegane Wurst mischen? Geht das?

    Wefers: Aus lebensmitteltechnologischer Sicht ist das vergleichsweise einfach: Man muss es »nur« reinmachen. Übrigens sollte man auch bedenken, dass Tierfutter häufig mit Vitamin B12 angereichert wird, damit es im Fleisch enthalten ist. Das ist auch nichts anderes als ein indirekte Supplementierung.

    Smollich: Die Anreicherung von Lebensmitteln wird in Deutschland insgesamt eher kritisch gesehen, in anderen Ländern schüttelt man darüber den Kopf. Manche behaupten etwa, Ascorbinsäure soll als Zusatzstoff gefährlich sein, während die natürliche Ascorbinsäure im Apfel kein Problem ist. Da begibt man sich im Prinzip auf ein esoterisches Diskussionsniveau. Sogar die Verwendung von Jodsalz ist rückläufig, weil es dem Verbraucher offenbar zu chemisch klingt und Gerüchte zu angeblich schädlichen Effekten kursieren. Dadurch ist Deutschland inzwischen wieder völlig unnötigerweise ein Jodmangelland. Diese »Chemophobie« ist ein Bildungsproblem und kein fachliches Problem.

    SPIEGEL: Ein bekannter Wursthersteller sagte schon vor zehn Jahren: »Die Wurst ist die Zigarette der Zukunft«. Wenn man sich aktuelle Trends anschaut, ist das eine fast prophetische Aussage. Welchen Stellenwert werden Ersatzprodukte aus Ihrer Sicht in Zukunft einnehmen?

    Wefers: Auf jeden Fall glaube ich, dass diese Produkte nicht wieder verschwinden werden, sondern einen festen Platz im Supermarktregal einnehmen. Ich würde es gut finden, wenn man sie in Zukunft nicht nur als »Ersatz« wahrnehmen würde, sondern eben als eigenständige Produkte. Und ich würde mich natürlich darüber freuen, wenn wir insgesamt ein wenig offener für Innovationen in diesem Bereich wären und die Abwehrhaltung überwinden.

    Smollich: Ich finde es interessant, dass die Verbraucherinnen und Verbraucher nicht generell strukturkonservativ sind und neue Lebensmittel ablehnen. Es ist ja immerhin gelungen, sogenannte Superfoods wie Goji-Beeren oder Chiasamen innerhalb weniger Jahre zu etablieren. Und auch Pizza oder Döner gibt es in Deutschland erst seit wenigen Jahrzehnten. Wahrscheinlich wird sich auch das Marketing für pflanzenbasierte Fleischalternativen an den Trend des Natürlichen und Ursprünglichen anpassen müssen. Wenn Veggieschnitzel und Co. sich weiter durchsetzen, wäre das jedenfalls sowohl aus ernährungsmedizinscher als auch aus ökologischer Sicht vorteilhaft.