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Abweisungen an den bundesdeutschen Grenzen
fragdenstaat.deNach der Kenntnisnahme des Textes unten:
1.) Was wird das weitere Vorgehen des Bundesministeriums (und ggf. der Bundesregierung) sein?
2.) Wie lange sollen die Grenzkontrollen in Anbetracht der unten aufgeführten Punkte (Illegalität, Kritik von Nachbarstaaten, Kritik von der Polizei, mangelnder Erfolg, unkalkulierbare Kosten) noch anhalten?
3.) Erkennt das Ministerium an, dass es sich nach diesem Urteil nicht mehr auf rechtsstaatlichem Boden bewegt?
4.) Wenn nicht: Auf welche verbleibende Rechtsgrundlage beruft sich das Ministerium bei den aktuellen Grenzkontrollen, nachdem das Berliner Gericht die "Notlage" aberkannt hat?
5.) Wann/Unter welchen Umständen wäre der Punkt erreicht, an dem auch das Ministerium anerkennt, die aktuelle Praxis beenden zu müssen?
Das Berliner Verwaltungsgericht hat am 2.6.2025 die von Innenminister Dobrindt am 8.5. eingeführte Praxis zu Abweisungen an den deutschen Grenzen für rechtswidrig erklärt (Q1). Das Urteil bestätigte den weitestgehenden Konsens, der schon vor dem 8.5. unter Jurist*innen herrschte (Q2): Deutschland darf das Dublin-Verfahren an seiner Grenze nicht ignorieren. Eine Notlage, die das Dublin-Verfahren außer Kraft setzen würde, herrscht ebenfalls nicht (Q1). Das Urteil des Gerichtes ist unanfechtbar (Q1).
Ihr Minister sagte zu der Thematik: "Es gibt keinen Grund, aufgrund einer Gerichtsentscheidung in einem Einzelfall unsere Praxis zu verändern". Er strebe eine Entscheidung im Hauptverfahren an.
Diese Aussage vom Bundesinnenminister Alexander Dobrindt ist falsch, denn das Urteil ist kein Einzelfall, sondern erklärt allgemein: "Personen, die bei Grenzkontrollen auf deutschem Staatsgebiet ein Asylgesuch äußern, dürfen nicht ohne Durchführung des Dublin-Verfahrens zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates für die Prüfung des Asylantrags zurückgewiesen werden" (Q1, Q2). Außerdem kann keine anders lautende Entscheidung einer höheren Instanz erwartet werden, denn: "Die Beschlüsse sind unanfechtbar" (Q1), wenn das Urteil denn überhaupt auf einer höheren Instanz weitergeführt werden kann, obwohl die Beschlüsse unanfechtbar sind. Auch wenn die Beschlüsse nur für den konkreten Fall der drei Somalier*innen rechtsbindend sind, bleibt das allgemeine Urteil des Gerichtes bestehen: Die Praxis selbst ist illegal (Q1, Q2).
Es gab aus den benachbarten Staaten Kritik an Deutschlands Vorgehen (Q3), welches sich damit noch weiter von den Idealen der Europäischen Union (insbesondere die Freizügigkeit) entfernt und damit den europäischen Zusammenhalt einschränkt.
Gleichzeitig nannte schon vor zwei Wochen eine Mehrheit der Bundespolizist*innen die Belastung durch den aktuellen Einsatz von 14.000 Polizist*innen an den Grenzen unaushaltbar (Q4).
Zudem gibt es von er Polizei Kritik wegen der fehlenden Rechtsgrundlage (siehe Q1). Die Gewerkschaft der Polizei sagte letztes Jahr in diesem Kontext: "[...] Wir als Gewerkschaft [erwarten] eine einheitliche rechtssichere Lösung der Politik. Wir Polizistinnen und Polizisten handeln nach Recht und Gesetz und werden nicht zum Gehilfen für angeordnete unrechtmäßige Polizeimaßnahmen" (Q5). Deshalb fordert die Gewerkschaft der Polizei aktuell mehr Rechtssicherheit (Q6). Bloß fehlt dafür die Rechtsgrundlage (Q1).
Und nicht zuletzt herrscht Kritik an dem Umstand, dass die Bundespolizei ihre Tätigkeit innerhalb Deutschlands vernachlässigen muss und "Fortbildungen der Einheiten aktuell auf Eis liegen und derzeit der Abbau von Überstunden gestoppt ist" (Q7).
Der "Erfolg" der verstärkten Kontrollen hält sich in Grenzen: Im Zeitraum seit Beginn der rechtswidrigen Kontrollen am 8.5. bis zum Erscheinen von Q4 am 1.6. fanden die 14.000 eingesetzten Beamt*innen nur 160 Personen, welche tatsächlich einen Asyl-Antrag stellten und sich nicht nur temporär in Deutschland aufhalten wollten, wie es täglich 135 Menschen tun wollten. Auf bundesweit 14.000 eingesetzte Beamt*innen kamen 125 abgelehnte Asylanträge (Q4).
Deutschlands Kosten für die Aufrechterhaltung dieser illegalen Praxis sind vermutlich sehr hoch, grundsätzlich aber nicht genau abzuschätzen (Q6), also unkalkulierbar und könnten gerade bei der angestrebten Zusatzverstärkung durch Beamt*innen des Zolls noch weiter steigen.
Q1: https://www.berlin.de/gerichte/verwaltungsgericht/presse/pressemitteilungen/2025/pressemitteilung.1565917.php
Q2: https://www.lto.de/recht/meinung/m/vg-berlin-zurueckweisungen-dobrindt-merz-einzelfall-einzelfallentscheidung
Q3: https://www.deutschlandfunk.de/aussenminister-wadephul-im-dlf-keine-migrationspolitik-gegen-den-willen-polens-100.html
Q4: https://www.tagesschau.de/inland/innenpolitik/grenzkontrollen-romann-100.html
Q5: https://www.gdp.de/bund/de/stories/2024/09/240904-gdp-chef-ueber-zurueckweisungen-an-der-grenze
Q6: https://www1.wdr.de/nachrichten/urteil-abweisung-von-asylsuchenden-ohne-pruefung-rechtswidrig-100.html
Q7: https://www.zdfheute.de/politik/deutschland/grenzkontrollen-polizei-dobrindt-belastung-100.html
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Hm, ich verstehe die Sprachlosigkeit im ersten Moment, allerdings verstehe ich auch den Winkelzug in der Antwort des BMI:
Es wurde keine faktischen Informationen angefragt al à “Wie viele Bundespolizisten sind im Einsatz” oder “Wann wurde der Innenminister über das Urteil informiert”. Was Fragdenstaat hier eingereicht hat, ist effektiv eine Presseanfrage mit der Bitte “Erklären Sie uns das mal”, auf die das Ministerium nicht antworten muss.