Trotz Gerichtsurteil über die Rechtswidrigkeit setzen Beamt*innen Dobrindts Grenzkontrollen widerspruchslos um. Bedenken des Bundespolizei-Hauptpersonalrats wurden ignoriert.
Der Bundesinnenminister als oberster Dienstherr hat das doch durchgewunken (damit ist der erste Teil der Remonstrationspflicht durch). Für den zweiten Teil der Remonstrationspflicht, der Gewissheit mit den Zurückweisungen eine Ordnungswidrigkeit oder Straftat zu begehen, ist gerichtlich noch nicht abschließend geklärt, ob das der Fall ist und die EU-Regeln (Dublin (III) – Rückführung in das EU-Land, dass die Flüchtenden als erstes betreten haben) höher wiegen als das deutsche Asylgesetz (Zurückweisung in sicheres Drittland. Alle deutschen Nachbarländer gelten als solche).
Doch ist es. Das Eilverfahren aus Berlin war die erste und letzte Instanz.
Das war m.W.n. ein Verfahren zu drei Somaliern, die hinter der polnischen Grenze, am Bahnof Frankfurt (Oder) zurückgeschickt wurden, kein allgemeines Urteil zu den Zurückweisungen an der Grenze per se. Geht die allgemeine Anordnung nicht ans Bundesverfassungsgericht?
Im übrigen genügen Bedenken, abschließende Klärung braucht es nicht.
Nach den Vorschriften des Beamtenrechts muss der Beamte seine dienstlichen Handlungen auf ihre Rechtmäßigkeit prüfen. Teilweise wird sogar von Remonstrationspflicht gesprochen. Hat er Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit einer Weisung, so muss er seinem unmittelbaren Vorgesetzten gegenüber remonstrieren, d. h. gegen die Ausführung der Weisung Einwände erheben. Bestätigt der unmittelbare Vorgesetzte die Anweisung und sind die Bedenken des Beamten nicht ausgeräumt, so muss sich der Beamte an den nächsthöheren Vorgesetzten wenden. Der Beamte hat hier keinen Ermessensspielraum. Bestätigt auch der nächsthöhere Vorgesetzte (der Vorgesetzte des Vorgesetzten des remonstrierenden Beamten) die Anordnung, so muss der Beamte sie ausführen.
Erster Teil: Beamter hat Bedenken, seine Vorgesetzten nicht.
Diese Gehorsamspflicht trifft den Beamten allerdings dann nicht, wenn er durch die Befolgung der Weisung eine Straftat oder Ordnungswidrigkeit begehen würde.
Bzw. Der Wortlaut im §63 BBG:
Dies gilt nicht, wenn das aufgetragene Verhalten die Würde des Menschen verletzt oder strafbar oder ordnungswidrig ist und die Strafbarkeit oder Ordnungswidrigkeit für die Beamtinnen und Beamten erkennbar ist.
Zweiter Teil: Da steht nicht: “Der Beamte ist sich unsicher, ob…”, sondern “der Beamte würde”, bzw. die Strafbarkeit ist für ihn erkennbar, er würde also mit der Gewissheit eine Straftat oder Ordnungswidrigkeit zu begehen handeln, wenn er die Anordnung umsetzen würde und nicht remonstrierte.
Das Verwaltungsgericht sei im Eilverfahren sowohl erst- als auch letztinstanzlich zuständig. Das habe die Politik bewusst so geregelt, um in solchen Verfahren zu schnellen, abschließenden Entscheidungen zu kommen, erklärte Korbmacher. „Das fällt dem Bundesinnenministerium jetzt auf die Füße.“
Die Verwaltungsgerichte seien verfassungsrechtlich verpflichtet, die Rechtslage intensiv zu prüfen, was die Berliner Richter getan hätten. „Ein Minister muss das lesen und prüfen, ob er dann gleichwohl an seiner Auffassung festhält“, sagte Korbmacher.
Zur Demonstration:
Hat er Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit einer Weisung, so muss er seinem unmittelbaren Vorgesetzten gegenüber demonstrieren
Dieser erste Schritt erfolgt ja schon nicht, die Bedenken muss jede® des Lesens fähige Beamte aber nach den Berliner Urteilen haben, und muss darum remonstrieren. Geschieht das nicht, und stellen wir nachher fest, dass es sich um OWis oder Straftaten gehandelt hat, sind die Beamten voll persönlich verantwortlich.
Der Rest des ersten Zitats bezieht sich nur darauf, dass Beamte nach der Remonstration u.U. trotzdem die Anweisung ausführen müssen. Sie sind dann nur aus der Verantwortung.
Das zweite Zitat beschreibt nur Ausnahmen wiederum davon, nicht von der Remonstrationspflicht allgemein.
Das Urteil begründet sich aber nicht in dem Einzelfall, sondern in der allgemeingültigen Rechtslage.
Das scheint in dem Punkt nicht so eindeutig zu sein.
In der Entscheidung selbst deuten Formulierungen wie „Gesamtbetrachtung“ an, dass Argumente für eine gegenteilige Sichtweise zumindest nicht von vornherein ausgeschlossen sind (abweichende Ansichten in Medienbeiträgen bis dato etwa Huber, Müller, Papier), die im Hauptsacheverfahren möglicherweise anders gewichtet werden könnten (auch wenn dies vorliegend eher unwahrscheinlich sein dürfte). Potentiell könnten auch noch Nachbesserungsmöglichkeiten für die Regierung zur Untermauerung ihrer Sichtweise vorhanden sein (in diese Richtung offenbar Thym; eher zurückhaltend Kirchner). Auf der anderen Seite stehen der für ein Eilverfahren vergleichsweise ausführlich begründete Beschluss des VG Berlin und die oben angesprochene Sichtweise vieler Rechtswissenschaftler:innen verbunden mit der seit Wochen anhaltenden medialen Diskussion. Dass sich angesichts dessen aber die Rechtswidrigkeit zum aktuellen Zeitpunkt mit der Folge gewissermaßen „aufdrängen“ (hier Rn. 56) muss, erscheint nicht zwingend.
Dieser erste Schritt erfolgt ja schon nicht, die Bedenken muss jede® des Lesens fähige Beamte aber nach den Berliner Urteilen haben, und muss darum remonstrieren.
Nein, ein Beamter muss nicht remonstrieren, wenn offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg besteht.
Noch ein weiterer Umstand spricht dafür, dass die Remonstration ohne Verschulden unterbleiben könnte: Der BGH entschied, dass das Unterlassen einer Remonstration auch in Kenntnis einer entgegenstehenden Gerichtsentscheidung dann nicht als sorgfaltswidrig anzusehen ist, wenn sie „offensichtlich keinen Erfolg“ (hier Rn. 67) haben würde. Davon ging der BGH in einem Fall aus, in dem sich für einen Beamten unter anderem aus E-Mail-Korrespondenz ergeben hatte, dass die Vorgesetztenebene in Kenntnis einer mittlerweile geänderten Rechtslage an der bisherigen Praxis festhielt. Hier durfte er nach dem BGH davon ausgehen, dass eine Remonstration keinen Sinn haben würde. Für das Gericht ist in solchen Konstellationen bereits fraglich, „ob die Unterlassung einer erkennbar aussichtslosen Remonstration überhaupt pflichtwidrig“ ist, sie sei aber – wie erwähnt – „jedenfalls nicht sorgfaltswidrig“ (hier Rn. 67). Somit spricht aus Perspektive der Praxis einiges dafür, dass eine Remonstration von Bundespolizist:innen an der Grenze gegenwärtig als „aussichtslos“ im eben dargestellten Sinne anzusehen sein könnte, hat sich doch das Bundesinnenministerium kurz nach der VG-Entscheidung eindeutig positioniert (dazu statt vieler Kirchner). Eine Remonstration dürfte im Lichte der BGH-Rechtsprechung also unterbleiben.
Der Bundesinnenminister als oberster Dienstherr hat das doch durchgewunken (damit ist der erste Teil der Remonstrationspflicht durch). Für den zweiten Teil der Remonstrationspflicht, der Gewissheit mit den Zurückweisungen eine Ordnungswidrigkeit oder Straftat zu begehen, ist gerichtlich noch nicht abschließend geklärt, ob das der Fall ist und die EU-Regeln (Dublin (III) – Rückführung in das EU-Land, dass die Flüchtenden als erstes betreten haben) höher wiegen als das deutsche Asylgesetz (Zurückweisung in sicheres Drittland. Alle deutschen Nachbarländer gelten als solche).
Doch ist es. Das Eilverfahren aus Berlin war die erste und letzte Instanz.
Im übrigen genügen Bedenken, abschließende Klärung braucht es nicht.
Das war m.W.n. ein Verfahren zu drei Somaliern, die hinter der polnischen Grenze, am Bahnof Frankfurt (Oder) zurückgeschickt wurden, kein allgemeines Urteil zu den Zurückweisungen an der Grenze per se. Geht die allgemeine Anordnung nicht ans Bundesverfassungsgericht?
https://de.wikipedia.org/wiki/Remonstration:
Erster Teil: Beamter hat Bedenken, seine Vorgesetzten nicht.
Bzw. Der Wortlaut im §63 BBG:
Zweiter Teil: Da steht nicht: “Der Beamte ist sich unsicher, ob…”, sondern “der Beamte würde”, bzw. die Strafbarkeit ist für ihn erkennbar, er würde also mit der Gewissheit eine Straftat oder Ordnungswidrigkeit zu begehen handeln, wenn er die Anordnung umsetzen würde und nicht remonstrierte.
Das Urteil begründet sich aber nicht in dem Einzelfall, sondern in der allgemeingültigen Rechtslage.
Präsident des Bundesverwaltungsgerichts dazu (Original im Handelsblatt, dort aber hinter paywall)
Zur Demonstration:
Dieser erste Schritt erfolgt ja schon nicht, die Bedenken muss jede® des Lesens fähige Beamte aber nach den Berliner Urteilen haben, und muss darum remonstrieren. Geschieht das nicht, und stellen wir nachher fest, dass es sich um OWis oder Straftaten gehandelt hat, sind die Beamten voll persönlich verantwortlich.
Der Rest des ersten Zitats bezieht sich nur darauf, dass Beamte nach der Remonstration u.U. trotzdem die Anweisung ausführen müssen. Sie sind dann nur aus der Verantwortung. Das zweite Zitat beschreibt nur Ausnahmen wiederum davon, nicht von der Remonstrationspflicht allgemein.
Das scheint in dem Punkt nicht so eindeutig zu sein.
https://verfassungsblog.de/remonstration-zuruckweisungen-grenze/
Nein, ein Beamter muss nicht remonstrieren, wenn offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg besteht.
https://verfassungsblog.de/remonstration-zuruckweisungen-grenze/